Hongkong 1997

5. Okt. 2017 | Weltreise

Der Flug von den Philippinen war mit vielen Turbulenzen verbunden. Ich war froh, in Hongkong sicher gelandet zu sein. Da ich mit Cathay Pacific flog, nutzte ich das Angebot, für einen Vorzugspreis, in einem ganz neuen Fünfsterne Hotel zu übernachten. Normalerweise buche ich nicht solche Luxushotels. Für mich sind sie allesamt gleich. Ich bevorzuge immer welche, die das Land auch repräsentieren. Ich wollte stets das Land, die Leute und das Essen authentisch erleben.
Spät nachts fuhr ich mit einem Taxi vor. Der Portier öffnete mir die Tür. Ich stieg aus. Zwei Gepäckträger warteten beim Kofferraum. „Your Bag Sir?“ „I don’t have one, this is all“ und verwies auf meinen Rucksack, den ich in der Hand hielt. Verdutzt sahen sich die Träger gegenseitig an. Der Portier insistierte, dass man mir den Rucksack abnahm. Ich liess ihn gewähren. Ich wunderte mich, dass gleich neben der Eingangshalle sich ein Rohbau befand, und Leute darin arbeiteten. Dies zu so später Stunde. Beim Eingang standen zehn Hostessen. Zuerst dachte ich sie seien geklont. In derselben Uniform, derselbe Haarschnitt, dieselbe Schminke, und das identische Lächeln. Der Reihe nach begrüssten sie mich alle nacheinander. „Hello Mister, welcome, enjoy your stay“ – „Hello Mister, welcome, enjoy your stay“ – „Hello Mister, welcome, enjoy your stay“ etc. An der Rezeption füllte ich die Formalitäten aus. Ich war ein bisschen geschlaucht vom langen Flug und folgte, ohne mich um etwas zu kümmern, dem Boy der meinen Rucksack trug. Es ging rapide im Fahrstuhl hoch. „Wieviele Zimmer hat dieses Hotel“ fragte ich ihn. 500 Doppelzimmer, 12 Luxury Suiten und zwei Präsidenten Suiten“ Nicht schlecht, dachte ich. Angekommen, ein Trinkgeld, ein Thank you Sir und ein enjoy yourself Sir.
Ich loggte die Magnetkarte ein. klick klack zsst zoc. Lichter gingen an, ein Tisch klappt sich auf, die Vorhänge zogen sich zu, die Toilette spülte, und das Bett vibrierte. Ok, gut, Neuland für mich. Ich liess mich auf das vibrierende Bett fallen. Daneben ein Nachttisch mit 30 Tasten. Ich probierte jede einzelne aus. Der Tisch klappte wieder zurück, das Bett vibrierte schneller, die Minibar öffnete sich mit kitschiger Musik, die Vorhänge rollten sich auf, ein andere, noch kitschigere Musik ertönte aus dem Badezimmer usw. usw. . . Ich duschte mich danach mit Discofarben, und wollte mir danach noch einen Schlummertrunk gönnen. Folgte dem Schild Exit, fand den Fahrstuhl, und drückte auf die Taste „Bar“. Setzte mich auf den Sessel und bestellte ein „Red Dragon Cocktail“ und nippte am Strohalm. Ein Chinese setzte sich neben mich, und bestellte denselben Cocktail. Er hingegen schlürfte lautstark. Unweit von uns stand ein Fernseher indem dass Programm der BBC ausgestrahlt wurde. Ein Sendung über die bevorstehende Übergabe Hongkongs an die Chinesen, die in zwei Monaten stattfand. Mit dem Schlürfenden versuchte ich, ein Gespräch zu eröffnen. „Meinen Sie, wird es zu keinen Komplikationen kommen?“ Knallhart erwiderte er „No. HONG KONG IS CHINESE & CHINESE IS POWER, und schlürfte weiter, und mimte ein Gesicht, als wäre es das scheusslichste Getränk. Mir wurde bewusst, das ich neben einem Peking-Chinesen sass. Jetzt kam ein Bericht über Macao. „Dies ist doch eine portugiesische Kolonie“ hakte ich nach. „NO IS CHINESE“. Tatsächlich sollte auch diese Kolonie in zwei Jahren wieder Chinesisch werden. Es folgte ein kritischer Bericht über Tibet. Ein Protest der Mönche wurde mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. „Finden Sie das korrekt?“ „YES. TIBET IS CHINESE & CHINESE IS POWER.“ Genervt war er am Ende des Drinks angelangt, so dass sein Geschlürf sogar die Musik des Pianisten übertraf. Seiner Arroganz wegen, und seiner Unfreundlichkeit, wollte ich ihn jetzt provozieren, „Und Taiwan?“ lächelte ich verschmitzt. Vermutete eine ähnliche Antwort. Doch stattdessen knickte er entnervt den Strohalm mitsamt Deko-Sonnenschirmchen, fluchte wohl das ganze Repertoire chinesischer Fluchwörter, bohrte sich in der Nase, fiel dabei fast noch vom Hocker, und verliess die Bar. Zufrieden bestellte ich einen zweiten „RED DRAGON COCKTAIL“.
Danach wollte ich noch beim Eingang ein bisschen frische Luft schnappen. Auf den Weg dahin begleitete mich das 10 mal Hello Sir. Als ich draussen stand, sah ich, dass der Rohbau, schon ausgebaut war. Nach einer Weile wollte ich nun wirklich schlafen gehen. Wiederum erwartete mich der Klonen-Chor. Danach konnte ich aber unmöglich mein Zimmer finden. Ich verlief mich. Und dies in einem Hotel. Nach etwa einer Stunde, und nur mit viel Mühe, war ich wieder an der Rezeption angelangt. Da erfuhr ich, es gibt fünf. Diesmal gab es ein Klonen-Gekicher. Nur mit Hilfe eines Boys fand ich mein Zimmer. In dieser Nacht schlief ich, vibrierend ein.
Als ich am nächsten Morgen ein Taxi bestellte, sah ich ein grosses Schild über dem Laden hängen. OPEN. Vorausgesetzt man glaubt an die Reinkarnation, waren die Chinesen sicher alles Ameisen, dachte ich mir.